"In der Kaltakquise kann man nur gewinnen“

 

 „Bildet Wolfsrudel und jagt gemeinsam!“

 

Kaltakquise ist für viele freie Journalist*innen eine Horrorvorstellung. Wie man sich dafür „in Stimmung“ bringt und was ein Wolfsrudel damit zu tun hat, das erklären Gerhard Feiler und Gernot Krickl im dritten Teil unserer Interviewserie.

Interview: Alexandra Rotter

 

Viele Freie haben Angst vor Absagen, wenn sie mit Auftraggeber*innen verhandeln oder Kaltakquise machen. Wie sind eure Erfahrungen in diesem Bereich?

FEILER: Wenn ein Kunde jetzt keinen Auftrag hat, heißt das nicht, dass das in einem Monat genauso ist. Aber da sagen viele Leute: Naja, der hat vor einem Jahr schon gesagt, er will nicht. Ich habe vor einiger Zeit eine Liste akquiriert und wieder mit zwei von drei Kunden persönliche Termine vereinbart. Was ich aber übersehen habe, ist, dass ein Kollege die alle ein paar Wochen vorher abgehakt hat, weil sie nicht wollten. Die Kunden konnten sich gar nicht mehr erinnern, dass unser Unternehmen schon vorher angerufen hat. Das zeigt: Es geht nur um die eigene Einstellung. Und was auch wichtig ist: Man sollte im Team akquirieren – wir nennen das im Wolfsrudel. Im Wolfsrudel akquirieren heißt: Mindestens zwei bis drei setzen sich zusammen, haben ihre Kundenliste und dann wird nacheinander angerufen.

 

Wie soll das bei freien Journalist*innen funktionieren? Sollen sie sich zu Gruppen zusammentun?

FEILER: Ja. Bildet eigene Wolfsrudel und dann jagt gemeinsam.

KRICKL: Zum Beispiel mit Telefonpartys: zu zweit, zu dritt, einer ruft Kunden an – nicht gleichzeitig, weil das ist vom Lärmpegel her zu laut. Die anderen beiden hören zu und geben Feedback: Wie hat's geklappt? Was hast du gesagt? Der eine Satz, der gefällt mir, darf ich mir den kopieren? Ja, freilich. Und dann formuliert man ihn ein Stückerl um und lernt voneinander und freut sich auch miteinander, wenn's mal klappt.

 

Wie kann man sich dazu in Stimmung bringen? Ich weiß von vielen Leuten, dass sie eine Riesenscheu haben, anzurufen. Ein E-Mail zu schreiben, das schaffen die meisten noch. Gibt es da ein paar Tipps und Kniffe, wie man sich motiviert?

KRICKL: Ich brauch ein ganz klares Ziel. Viele machen den strategischen Fehler und sagen: Schauen wir mal, ich probier's mal, ich ruf‘ mal an. Das ist nicht klug, sondern ich brauch ein Ziel: Ich höre heute so lang nicht auf, bis ich nicht fünf Termine vereinbart hab, wo ich die Chance hab, mit jemandem zu reden, der meine Dienstleistung möglicherweise haben will. Dieses Ziel muss ich mir vorher setzen und so lang dranbleiben, bis ich das Ziel erreicht hab. Und aus meiner Sicht ist die Haltung und Einstellung entscheidend. Beantwortet euch die Frage: Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Die stelle ich gleich mal. Was ist die Antwort drauf? Was ist das Schlimmste, was in der Akquisition passieren kann?

 

Dass mich der Kunde am Telefon niedermacht.

KRICKL: Okay, gut – ist jetzt nicht angenehm, aber was ist dann wirklich passiert?

Dann denken wahrscheinlich viele, sie haben einen schlechten Start bei dem – es geht nichts mehr.

KRICKL: Ja, und was ist dann passiert?

Dann habe ich keinen Auftrag bei ihm.

KRICKL: Ja, genau, und was ist dann passiert?

Eigentlich nichts.

KRICKL: Genau, jetzt sind wir am Punkt: Es kann nichts passieren. Ich brauche die Erkenntnis in der Kaltakquise oder in der Lauwarm-Akquise kann man nur gewinnen. Jedes Nein ist ja okay, weil nichts passiert: Ich hatte diesen Kunden vorher nicht und ich habe ihn jetzt nicht, also ist genau nichts passiert. Ich kann nur gewinnen, indem ich so lange weitermache, bis einer sagt: Klingt gut, wir sind im Geschäft. Dann hab‘ ich einen Gewinn, einen Sieg. Aber in Wahrheit hab‘ ich keine Niederlagen, weil ja jedes Nein nichts verändert.

 

Wie sehr sollte man sich vor der Akquise mit dem Kunden beschäftigen, worauf muss man sich besonders vorbereiten?

KRICKL: In der Recherche darf man nicht vergessen: Was können die Motive sein, dass der potenzielle Kunde mit mir zusammenarbeiten will? Also nicht nur daran zu denken, wie lang der Artikel ist, den er haben wird wollen, wie das Honorar ausschauen könnte, wann ich mit ihm einen Termin ausmachen kann – also sich auf die Zahlen, Daten und Fakten vorzubereiten, sondern auch: Was ist aus meiner Sicht ein guter Grund, von Kundenseite her, mit mir zusammenarbeiten zu wollen? Also: Was veröffentlichen die? Wofür stehen die? Was ist die Mission dieses Verlags? Was sind Trends, was könnte ihn ansprechen?

FEILER: Was ist mein Nutzen für den Verlag? Und was bring ich ihm damit? Der Angerufene sollte auch der Entscheidungsträger sein – manche machen den Fehler, dass sie nicht mit den Personen sprechen, das kommt immer wieder vor. Manche kommen nicht an den Entscheidungsträger ran, das ist in 70 Prozent der Fälle so. Sie werden bei der Firewall abgedreht. Das lässt sich aber mit einfachen Taktiken überwinden.

 

Welche Taktiken sind das?

FEILER: Da müssten wir jetzt ein bisschen mehr in die Tiefe gehen, aber im Wesentlichen geht’s darum, dass man freundlich, aber bestimmt den Entscheidungsträger verlangt und sich nicht mit dem Empfang oder dem Sekretariat auf eine inhaltliche Diskussion einlässt – die darf es nicht geben. Und wenn man sich auf keine inhaltliche Diskussion einlässt, kommt man zum Entscheidungsträger.

 

Was sind die drei Hauptpunkte, die beim Verkaufen und Verhandeln immer wieder falsch gemacht werden? Und was sind die drei wichtigsten Punkte, die man fürs Verkaufen und Verhandeln wissen muss?

FEILER: Ganz wichtig ist zu wissen: Kunden kaufen Nutzen. Sie kaufen keine Merkmale, sondern einen Nutzen wie zum Beispiel Sicherheit. Und die Entscheidung wird emotional getroffen und nicht anhand irgendwelcher Fakten – das unterschätzen sehr viele Leute. Die Vereinfachung an sich, dass der Kunde das Produkt versteht, ist ganz wichtig. Oft, wenn man wo Kunde ist, werden einem nicht die geeigneten Fragen gestellt, sondern man geht nachher aus dem Geschäft und ist verwirrter als vorher. Daher ist auch Vereinfachung ein ganz wichtiger Punkt.

KRICKL: Was aus meiner Sicht am häufigsten nicht oder falsch gemacht wird ist, aus der Ich-Perspektive zu denken, also: Ich will dir was verkaufen. Ich muss aus der Kundenperspektive denken und mich in die Lage des anderen versetzen: Was möchte der haben, das ich ihm bringen kann? Der zweite Fehler ist, den Kunden so lange zuzureden, bis er hirntot aussteigt. Und das dritte ist, zu wenig Fragen zu stellen. Das ist in der Kommunikation bei uns immer das Thema: Wir fragen viel zu wenig, interpretieren viel zu viel und setzen viel zu viel voraus.

 

Letzte Frage: Wie lange braucht ein echter „Akquisemuffel“, um Spaß daran zu finden?

FEILER: Das kann verhältnismäßig schnell gehen. Man kann das nicht in ein, zwei Wochen lernen, aber im Normalfall passt das in zwei bis drei Monaten. Das Gehirn muss sich anpassen, die Gehirnsoftware muss sich ein bisschen umstellen, aber in zwei bis drei Monaten kann man das Verhalten ändern, sodass man auch diesen Erfolg hat.

KRICKL: Hermann Ebbinghaus hat erforscht, wie lange es braucht, bis man neue Routinen automatisiert hat – er spricht von 150 bis 180 Wiederholungen. Ich möchte das jetzt nicht an Zahlen festmachen. Es geht schnell, wenn ich die richtige Einstellung dazu gefunden hab. Ich muss nicht das Handeln verändern, damit ich erfolgreich bin, sondern ich muss meine Haltung verändern, die dann automatisch meine Handlungen beeinflussen wird. Wenn ich immer nur die Handlungen neu ausprobiere und immer wieder wiederhole, werde ich nie erfolgreich sein – das kann ich 2.000 Mal machen, wenn ich nicht die richtige Haltung dazu hab. Wenn ich sag: Akquise mag ich nicht, will ich nicht, muss ich aber, dann werde ich 2.000 Mal scheitern. Da ist es völlig wurscht, wie oft ich’s mach‘, ich werde nicht erfolgreich sein. Wenn ich aber sag‘: Akquise ist cool, macht Spaß und ich freu mich auf die nächste Telefonparty mit meinen Journalistenkolleginnen und –kollegen, dann wird’s erfolgreich sein – vielleicht schon nach zwei Wochen.