Von Christian Bunke
Vom 27. bis 29. März findet in Wien die European Gas Conference statt. Von dieser Konferenz wollte ich für die Schweizer Wochenzeitung WOZ als freier Journalist berichten. Seit Mitte Februar hatte ich deshalb die Zusage einer Presseakkreditierung. Am 17. März wurde sie mir überraschend aufgekündigt. Einzige Begründung: Es hätten sich kurzfristig zu viele Menschen für die Konferenz angemeldet, sie sei somit überbucht, deshalb habe man leider „einige“ Akkreditierungen zurücknehmen müssen. Davon rückten die Veranstalter:innen auch nach einer Intervention durch den österreichischen Presseclub Concordia nicht ab. Wie mir eine Reihe von Kolleg:innen seitdem berichtet haben, bin ich nicht der einzige Journalist, dem eine Akkreditierung verweigert wurde. Auch Journalist:innen großer Medienunternehmen ging es ähnlich.
Auf der European Gas Conference treffen sich die Chief Executives zahlreicher transnationaler Gaskonzerne, um über die Zukunft ihrer Branche zu sprechen. Daneben sind auch Vertreter:innen verschiedener österreichischer Ministerien vor Ort, darunter das Klimaschutzministerium, aber auch das Wirtschaftsministerium. Mit dabei ist auch die Österreichische Wirtschaftskammer WKO. Das US-amerikanische Energieministerium ist ebenfalls zu Gast.
Ausgerichtet wird die European Gas Conference von der in London ansässigen Veranstaltungsfirma Clarion Energy Ltd. Deren Mutterkonzern Clarion Events sitzt in den USA und befindet sich seit 2017 im Besitz des Private Equity Fonds Blackstone (https://www.blackstone.com/news/press/blackstone-acquires-clarion/). Daneben nimmt mit BlackRock einer der weltweit mächtigsten Finanzkonzerne überhaupt an der European Gas Conference teil.
Formal betrachtet handelt es sich bei der Konferenz um eine Privatveranstaltung. Es steht den Veranstalter:innen frei, sich auszusuchen, wer daran teilnehmen darf, und wer nicht. Eine solche Betrachtungsweise ignoriert jedoch die hier vorliegende demokratiepolitische Dimension. Zwar fließt auf der Konferenz laut Veranstaltungsprogramm reichlich Champagner, auch ein Gala-Dinner ist geplant. Dennoch ist die Konferenz kein reiner Party-Event. Hier wird über wesentliche Weichenstellungen für das europäische Energiesystem diskutiert. Auf über 100 „private meetings“ werden Beschlüsse für zukünftige, aus Steuergeldern bezahlte Investitionen, sowie dafür nötige politische Weichenstellungen angebahnt. Was hier diskutiert wird, kann anschließend schnell in Gesetze gegossen werden. Nicht am Tisch sitzen Lohnabhängige oder jene Menschen aus dem globalen Süden, die bereits jetzt mit der Errichtung neuer fossiler Infrastrukturen vor ihrer eigenen Haustüre konfrontiert werden, durch welche der europäische Energiebedarf gedeckt werden soll.
Der European Gas Conference wohnt somit ein strukturelles Demokratiedefizit inne. Dieses geht mit großer Geheimniskrämerei einher. Nicht einmal der genaue Veranstaltungsort ist öffentlich bekannt. Allerspätestens - aber nicht beginnend - mit der Verweigerung von Presse-Akkreditierungen wird diese Geheimniskrämerei zum systematischen, organisatorischen Prinzip dieser Konferenz. Ich rufe die Veranstalter:innen dazu auf, allen Journalist:innen, die dies wünschen, eine Berichterstattung im Sinne des bestehenden öffentlichen Interesses von der European Gas Conference zu ermöglichen. Entsprechende Hoffnungen mache ich mir allerdings keine. Deutlich wird hier vielmehr die große Bedeutung einer kritischen Öffentlichkeit, wie sie nicht nur in Wien durch die Klimagerechtigkeitsbewegung repräsentiert wird. Sie ist für eine wirkliche Energiewende unerlässlich.
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- Brief von Walter Strobl vom Rechtsdienst Journalismus des Pressclub Concordia an Clarion Enery Limited:
„I am writing on behalf of Christian Bunke, a member of Press Club Concordia, which represents freedom of press and the concerns of hundreds of journalists in Austria.
On February 15th, you granted Mr. Bunke press accreditation for the European Gas Conference, held in Vienna from March 27th to 29th. The event deals with important socio-political questions that are of great importance for the current debates on climate and energy supply: LNG market, energy crisis, security of supply, price development, carbon reduction, alternative energy sources. In addition to numerous private key players, a number of state stakeholders, such as the Austrian Federal Ministries for Climate, for Economics and for Finance, the Austrian Federal Economic Chamber, the German Federal Chancellery or the US Department of Energy will present and discuss their positions - issues of central importance for the future of Europe. In any case, the coverage of this event constitutes a contribution to a debate of public interest.
Therefore we are concerned that you have revoked Mr. Bunke's accreditation very short-dated (on 17th of March) and unilaterally, despite a valid agreement, and are thus preventing him from directly reporting on this event, which deals with issues of public interest. All the more so as Mr. Bunke invested time and financial resources in preparation for this job and put other research on hold.
However, we assume that Clarion Energy Limited also has a great interest in transparency, not least because an open democratic discourse is an essential prerequisite for a functioning European gas market.
We therefore ask you urgently to reconsider your position and to re-accredit Mr. Bunke for the European Gas Conference.
Thank you and best regards,
Walter Strobl“