„Es braucht den Mut, nein zu sagen“

„Kein Auftraggeber darf einen günstigen Preis bekommen, ohne auch auf Leistungen verzichten zu müssen“

Nicht das Honorar, sondern den Wert der eigenen journalistischen Leistung in den Vordergrund stellen – das war einer der Ratschläge der Verkaufsexperten Gerhard Feiler und Gernot Krickl für freie Journalist*innen. Im zweiten Teil der Interviewserie geht es um „die reinste Form des Wahnsinns“ und den Grund, warum Freie Auftraggeber*innen in Verhandlungen so richtig zum Schwitzen bringen sollten.

Interview: Alexandra Rotter

Freie Journalist*innen erfahren immer wieder Rückschläge, wenn es um Honorarverhandlungen geht. Wie können sie damit umgehen?

KRICKL: Albert Einstein hat so ein schönes Zitat, das heißt: „Des Wahnsinns reinste Form ist es, immer das gleiche zu tun und auf andere Ergebnisse zu hoffen.“ Das heißt, wenn ich bei einem Verlag in meinen Verhandlungen anstehe und sie sagen, das geht nicht anders oder wir zahlen einfach nicht mehr, dann wird’s nichts bringen, darauf zu warten, bis es vielleicht doch mehr wird. Dann muss ich entscheiden: Ist es mir das noch wert, für diesen Verlag weiter zu schreiben oder lass ich's sein? Hab` ich die Größe zu sagen: Na gut, dann nicht? Dann muss ich allerdings was anderes suchen. Und ich denke, auch immer wieder in andere Märkte zu schauen und auch mal was ganz Schräges zu machen und nicht für Verlage zu arbeiten, sondern zum Beispiel für Unternehmen, die die Bequemlichkeit schätzen, sich nicht um ihren Blog kümmern zu müssen oder PR machen zu müssen, sondern das auszulagern, ist vielleicht ein neues Betätigungsfeld.
 

Das machen bereits viele freie Journalist*innen, oft aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Aber: Haben Freie wirklich keine Chance, für etablierte Verlage zu schreiben und dort höhere Honorare zu erzielen? Viele Verlage sagen: Das ist unser fixer Zeichen- oder Seitensatz, unabhängig vom Aufwand, und es gibt keinen Verhandlungsspielraum. Wie reagiert man auf solche Mauertaktiken?

KRICKL: Indem ich sag: Na gut, dann nicht. Wenn ich ein Angebot hab und in eine Honorarverhandlung geh und mein Verhandlungspartner sagt „Mehr gibt's nicht“ und ich sag „Na gut“, dann wird sich nichts verändern, weil der Leidensdruck bei den Verlagen nicht größer wird, solange ich trotzdem zu dem Honorar schreibe. Erst, wenn sich viele von den freien Journalisten trauen zu sagen „Na gut, dann nicht“, werden die Verlage auf andere Journalisten zurückgreifen müssen, die nicht so verlässlich sind, nicht pünktlich liefern, die die Recherche nicht so genau machen. Sie werden sich irgendwann fragen, ob das der richtige Weg ist. Dann reden sie vielleicht wieder mit dem Guten, der Qualität liefert. Aber das muss man durchhalten. Da muss man zwischendurch was anderes machen und immer wieder nachfragen und anklopfen, aber auch immer wieder sagen „Na gut, dann nicht“, wenn sich nichts verändert hat. In der Preisverhandlung ist eine Taktik ganz wichtig: Kein Auftraggeber darf einen günstigen Preis bekommen, ohne auch auf Leistungen verzichten zu müssen. Das heißt, ein Auftraggeber, der einen Preiskampf mit mir betreibt, muss sich den besseren Preis echt verdienen, der muss zu schwitzen anfangen, sonst hat er sich den nicht verdient. Und das muss ich mir erkämpfen und manchmal sagen: Nein, danke!
 

Um neue Wege zu gehen und neue Auftraggeber zu bekommen, muss ich auch Kaltakquise machen. Haben Sie einen Leitfaden für die ideale Kaltakquise?

FEILER: Ja, den gibt es, den muss man immer wieder auf die Branche und die Person anpassen, aber das geht relativ einfach. Ich habe das die letzten 25 Jahre ständig und immer wieder gemacht. Wenn man hier gezielt vorgeht, wollen zwei von drei Kunden einen Termin. Und das Telefonat, das dorthin führt, dauert im Normalfall zwei Minuten, nicht länger.

 
Und das Ziel des Telefonates ist, dass ich einen persönlichen Termin bekomme?

FEILER: Genau. Also nur einen Termin – keine Diskussionen, inhaltlich nicht zu tief gehen, sondern den Entscheidungsträger, mit dem man den Termin hat, im Termin überzeugen, dass man vom Unternehmen gebraucht wird.
 

Sie raten generell davon ab, am Telefon zu verhandeln?

KRICKL: Ja, auf alle Fälle, das ist ein ganz schwerer strategischer Fehler. Das geht ganz einfach: Wenn ein Verlag sagt „Naja, und was verlangen Sie?“, dann sag ich „Oh, Interesse ist schon da, wunderbar, das ist doch Wert, sich einmal zu treffen und über mehr zu reden“ – und schon lenke ich wieder von diesem Verhandlungs-Preiskampf-Honorarsatz-Thema ab. Also immer, wenn der Angerufene irgendein Detail nachfragt – „Was genau bieten Sie an?“, „Was kostet das?“, „Wie regelmäßig liefern Sie?“ –, dann ist das für mich schon die Auflage zu sagen „Wunderbar, Interesse ist da, lassen Sie uns darüber reden.“
 

Sich einen Termin geben zu lassen, wäre also ein wichtiger Schritt, der offenbar selbstverständlich sein sollte?

KRICKL: Ja, aus unserer Sicht schon. Und wenn's ein Skype-Termin ist, ist das auch schon mehr als nur das bloße Telefonat, wenn's räumlich oder logistisch nicht geht. Aus meiner Sicht ist beim Akquirieren noch ein gutes Stück an Frechheit und Mut hilfreich, also nicht zu unterwürfig reinzugehen wie in der Der-Kunde-ist-König-Mentalität. Das ist alte Schule, das war vor 15 oder 20 Jahren. Jetzt ist man auf Augenhöhe und in einer Partnerschaft. Da kann man sich etwas trauen und sagen: „Sie sind der erfolgreiche Verlag, ich bin erfolgreicher Journalist – erfolgreiche Menschen müssen miteinander reden. Und: Wann haben Sie Zeit?“ Solche Sätze muss ich mir zurechtlegen. Und: Authentizität ist ganz wichtig. Wir haben einen Leitfaden, der ist erprobt und der funktioniert, das Wichtige ist aber, ihn auf sich zu adaptieren und in seine Dialektik zu übersetzen. Sonst wird’s schiefgehen. Das muss zu mir passen und authentisch sein.
 

Es gibt Killerphrasen, die Verhandlungspartner anwenden. Bei Freien ist das zum Beispiel: „In Zeiten wie diesen, wo wir sparen und Stellen kürzen müssen, können wir nicht mehr zahlen, im Gegenteil: Wir haben die Honorare ja schon senken müssen und Sie sind der einzige, der noch das alte Honorar bekommt.“ Wie reagiert man darauf?

FEILER: Man muss auch da den Mut haben zu sagen: Nein, dann können wir leider nicht mehr zusammenarbeiten. Und es fällt einem umso leichter, je eher man weiß, dass man wieder zu neuen Auftraggebern kommt. Aber die meisten wollen ja Akquisition nicht, weil es Niederlagen gibt. Man hat die Freiheit, sich den Partner oder die Unternehmen, für die man arbeiten will, auszusuchen. Es geht hier um Selbstbestimmung.

KRICKL: Dazu noch einen Satz: Es geht auch da wieder um die Haltung. Wenn ich die Einstellung hab „Ah, ich möcht nicht akquirieren, weil wenn ich zehn anruf, sagen neun nein und ich hab neun Niederlagen“, dann ruft man den Sechsten wahrscheinlich gar nicht mehr an, wenn man fünfmal gehört hat „Nein“ oder „Nur zu der Kondition und sonst gar nicht“. In Wahrheit sind ja die Absagen keine Niederlagen, sondern ein Gewinn, nämlich der Gewinn einer Erkenntnis, dass es dieser Partner halt nicht ist und ich so lang suchen werde, bis ich den passenden gefunden hab – wie im privaten Bereich auch. Und wenn ich einmal die Einstellung hab, ich akquiriere so lange, bis ich erfolgreich bin anstatt Angst vor den Niederlagen zu haben, fällt's mir auch viel leichter und macht mehr Freude. Was ich brauche, ist Durchhaltevermögen, und da gibt’s das Gesetz der großen Zahlen, das besagt: Ich brauche einfach eine Referenzmenge an potenziellen Neukunden, die groß genug ist, dann kann ich nur erfolgreich sein. Wenn ich fünf potenzielle Kontakte habe, dann ist die Chance hoch, dass daraus nichts wird. Aber wenn ich mir 50 Möglichkeiten suche, dann ist Erfolg eigentlich gar nicht verhinderbar. Ich muss nur so lange dranbleiben, bis der Erste sagt: Ja, passt wunderbar!