Süß-saurer Preis für „Die Presse“

Fotocredit: Nini Tschavoll

„Wo „Die Presse“ draufsteht, ist Qualität drinnen.“ So lautet einer der Leitsprüche, mit denen die Tageszeitung für sich und ihren „unabhängigen Qualitätsjournalismus mit internationalem Anspruch“ wirbt. Doch wie entsteht journalistische Qualität? Durch hervorragende JournalistInnen, die viel Zeit, Aufwand und Expertise in ihre Geschichten stecken. Wie fast alle Medien setzt auch die Presse auf viele freie JournalistInnen. Wert ist der Presse diese Qualitätsarbeit, die von uns Freien geliefert wird, offensichtlich (fast) nichts. Mit einem Honorar von 0,025 Euro pro Zeichen ist die Presse bei der Bezahlung freier JournalistInnen das Schlusslicht unter den Tageszeitungen. Zur Veranschaulichung: Für eine größere Geschichte mit 6.000 Zeichen zahlt die Presse gerade einmal 150 Euro. Was nach Abzug von Steuer und Sozialversicherung davon bleibt, ist nicht der Rede wert.

Der aktuelle Tarif liegt laut Kollektivvertrag bei 40 Euro für 1.000 Zeichen. Als Mitglied des VÖZ verpflichtet sich die Presse dazu, diesen Tarif, auch zu zahlen. Die Tarife des Kollektivvertrags sind – wie in jeder Branche – das unterste Minimum, das gezahlt werden muss. Von leistungsgerechter Entlohnung sind wir hier noch weit entfernt. (Und ja, wir kennen die offizielle Unterscheidung zwischen „freie journalistische MitarbeiterInnen“ und „ständig freie journalistische MitarbeiterInnen“. Diese Unterscheidung ist aus unserer Sicht jedoch völlig absurd. Der Mindesttarif muss für alle Freie ohne Unterscheidung gelten.)

Das allein würde schon für einen süß-sauren Preis reichen. Aber es geht noch weiter. Für diese 0,025 Euro pro Zeichen müssen die freien JournalistInnen das Nutzungsrecht überlassen, und das „ausschließlich und zeitlich, räumlich und inhaltlich, uneingeschränkt“. Das bedeutet: Der Verlag nutzt den wertvollen Content auch für die eigene Website, seine Social Media-Kanäle oder – und das ist besonders dreist – überträgt die Nutzungsrechte unter Umständen auch an Dritte. Die freien JournalistInnen gehen bei all diesen weiteren Veröffentlichungen leer aus. Diese urheberrechtlichen Bestimmungen bekommen die freien JournalistInnen übrigens erst, nachdem sie ihre ersten Artikel veröffentlicht haben. Sie sind auf der Rückseite der Honorarabrechnung, die schriftlich zugeschickt wird, abgedruckt. Transparenz und Zusammenarbeit auf Augenhöhe sehen anders aus.

Jede freie Journalistin und jeder freie Journalist freut sich, wenn sie / er für namhafte und renommierte Medien arbeiten kann. Für den Namen und das Renommee können wir uns aber nichts kaufen. Das macht uns sauer. Ein Medium, das angibt, nur den höchsten qualitativen Ansprüchen genügen zu wollen, sollte diesem Maßstab auch im Umgang mit seinen freien MitarbeiterInnen gerecht werden.