„Ich denke mir immer, es wird schon gehen“

Bericht vom Freischreiber-Stammtisch mit Ralf Leonhard

Wer sich für Lateinamerika interessiert und regelmäßig Radio Ö1 hört oder gerne die Auslandsberichte in der taz list, kennt ihn wahrscheinlich: Den freien Journalisten Ralf Leonhard. Am 30. Oktober 2019 war er beim Freischreiber-Stammtisch zu Gast und erzählte aus seinem bewegten beruflichen Leben.

Ralf Leonhard, geboren 1955 in Wien, hat Jus studiert und dann die Diplomatische Akademie gemacht. Dort entdeckte er die internationalen Zeitungen und damit seine Faszination für den Journalismus.

1979 stürzten die Sandinisten in Nicaragua den Diktator Somoza, in der Folge kam es zu radikalen gesellschaftlichen Umwälzungen. Ralf Leonhard wollte bei diesen historischen Ereignissen dabei sein, flog kurzerhand hin und lernte dort den österreichischen Journalisten Leo Gabriel kennen. Der hatte gemeinsam mit anderen die alternative Nachrichtenagentur Agencia Periodística de Información Alternativa (APIA) gegründet und brauchte Übersetzer. Ralf Leonhard packte daheim einen zwölf Kilogramm schweren Rucksack und flog mit einem One-Way-Ticket wieder nach Nicaragua, wo er 14 Jahre lang bleiben sollte.

Er übersetzte bei APIA nicht nur, sondern schrieb auch Artikel, vor allem für die junge Tageszeitung taz, für die Zentralamerika einer ihrer Schwerpunkte war. Gearbeitet wurde mit einer Kofferschreibmaschine, Telefon und Telex und persönlichen Kontakten vor Ort. Bei der taz war er teilweise als Korrespondent angestellt, als die finanzielle Lage der Genossenschaftszeitung schwieriger wurde, als Pauschalist und teils nach Zeilenhonorar bezahlt. In den 1990er Jahren lieferte er auch Geschichten aus Zentralamerika für das Schweizer Radio, die auch etwas zu den Reisespesen beisteuerten. „Ich habe vor Ort aber auch sehr sparsam gelebt“, erzählt Ralf Leonhard, „Ich bin zum Beispiel mit Kollegen von CNN oder deutschen Zeitungen, die mehr Geld hatten, mitgefahren oder mit dem Hubschrauber mitgeflogen.“

1996, als die politische Lage in Zentralamerika für deutschsprachige Medien nicht mehr so spannend war, kehrte Ralf Leonhard nach Wien zurück. Die Arbeit als freier Journalist wurde schwieriger. Er arbeitete auf Zeilenhonorar für die taz und für Radio Ö1 und hielt sich mit anderen Jobs über Wasser. Später bekam er wieder eine Pauschale bei der taz und berichtete aus Österreich und Ungarn. Seine Bewerbungen bei diversen Medien wurden abgelehnt, denn „die wollten Jüngere oder hatten keinen Platz für Mitarbeiter.“ Trotzdem gab Ralf Leonhard nicht auf: „Ich bin ein positiver Mensch und denke mir immer, es wird schon gehen.“

Seit einigen Jahren produziert er Sendungen über Lateinamerika und andere Länder für Radio Ö1, schreibt weiterhin für die taz sowie für die Furche, das Südwind-Magazin oder das Magazin „Weltsichten“. Außerdem nützt er sein Spezialwissen über Lateinamerika für Länderkunde-Kurse der GIZ, Bücher und andere Publikationen oder Projektevaluierungen.

Im Dezember 2004 wollte Ralf Leonhard beruflich nach Sri Lanka reisen. Kurz vor seinem Abflug verursachte ein Erdbeben im Indischen Ozean eine der bisher schlimmsten Tsunamikatastrophen der Geschichte. Wieder wurde Ralf Leonhard mitten ins historische Geschehen geworfen und tat, was ein Journalist tun muss: berichten.

Was empfiehlt der erfahrene freie Journalist jungen Kolleginnen und Kollegen?

Sie sollen Volontariate (Praktika) bei verschiedenen Medien machen, um Kontakte zu Redaktionen zu knüpfen, und sich auf ein bestimmtes Thema spezialisieren. Und seine Erfahrung ist: „Wenn du gut schreibst und gut recherchierst, wird das irgendwann honoriert.“ Gut wäre es, so meint er abschließend, sich mit anderen Freien zusammen zu tun, sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam Geschichten anzubieten.